“Chronik der Baugenossenschaft München-Schwabing”
31 Gründungsmitglieder beschlossen im Jahre 1905 eine Baugenossenschaft zu gründen, um der herrschenden Wohnungsnot in Schwabing entgegen zu wirken. Galt es doch besonders
für die Familien der Arbeitnehmer der ehemaligen Lokomotivenfabrik MAFFEI, in der nahe gelegenen Hirschau, Wohnraum zu schaffen. Die Gründungssatzung wurde am 9. Juni 1909
beim königlich bayerischen Amtsgericht eingetragen. Im Laufe eines Jahres haben 97 Mitglieder je einen Genossenschaftsanteil mit 100 Mark gezeichnet, konnten aber in vielen Fällen die
Einlage nur in kleinen Raten einzahlen. Mit diesem, für heutige Verhältnisse unmöglichen Grundstock, ging man daran ein relativ großes Baugrundstück an der Clemensstraße zu
erwerben und die Bauausführung einzuleiten.
Trotz aller Schwierigkeiten gelang es den damals verantwortlichen Vorständen bis zum Beginn des ersten Weltkrieges (1914) den Bauteil 1 an der Clemensstraße bezugsfertig
herzustellen. 194 Wohnungen, 1 eigene Gaststätte "Clemensburg" und eine Reihe verpachteter Ladengeschäfte standen zur Verfügung.
Kreditgeber war der Magistrat der Stadt München, die Landesbodenanstalt und nicht zuletzt die Baufirma Heilmann & Littmann, welche selbst ein großes Interesse daran hatte, über die
Baugenossenschaft ein Betätigungsfeld zu finden. Seinerzeitige Streiks der Bauarbeiter unterbrachen nicht selten die Bauarbeiten. Grundstücksspekulanten gönnten der jungen
Genossenschaft nicht den Erfolg in dem aufstrebendem Stadtteil. Alte Aufzeichnungen sagen aus, dass die Hausmeister- und Verwaltungskosten im ersten Jahr die fast
"unverantwortliche" Summe von rd. 2000 Mark betragen haben.
Über die ersten Weltkriegsjahre hinweg fehlten die dynamischen Kräfte, um in der ersten Wohnanlage noch offensichtlich notwendige Verbesserungen durchzuführen. Wenn auch jedes
Haus im Keller einen Baderaum hatte, so mußte man sich mehr als 10 Jahre mit Gaslicht begnügen. Die Inflation der 20er Jahre machte die bis dahin angesparten Gelder zunichte. Erst
1924 konnte die Elektrifizierung der Wohnungen und Kellerräume erfolgen; wesentlich nur dadurch, dass die Mieter selbst angepackt und installiert haben. Entsprechende Werkstätten,
Leitern und sogar Handwägen hat die Genossenschaft für vielerlei notwendige Arbeiten zur Verfügung gestellt.
Wir glauben, dass diese etwas ausführlichere Darstellung der Gründerzeit und des ersten Bauabschnittes unserer Genossenschaft insofern von Interesse ist, weil sie die Pionierarbeit von
Mitgliedern aufweist, die allesamt nicht für derartige Aufgaben prädistiniert waren. Es soll aber beweisen, dass mit Mut und Ausdauer seinerzeit soziale Taten vollbracht wurden, die
nachahmenswert sind.
Als die unheilvollen Nachwirkungen des 1. Weltkrieges und der Geldentwertung überwunden waren, konnte in den Jahren 1928 bis 1930 an der Destouches / Belgradstraße bereits unser
Bauteil 2 mit 58 modernen Wohnungen mit Bad, weitgehend aus Eigenmitteln und Bankkrediten, an neue Mitglieder und vom Bauteil 1 umgesetzte Mieter vermietet werden.
Schon 1936 ging man mit städtischer Hilfe daran, nördlich der Schenkendorfstraße den Bauteil 3, unsere sogenannte Siedlung zu errichten. Es entstanden tatsächlich "im Grünen" 30
einstöckige Reihenhäuser zu je 4 Wohnungen mit Gartenanteilen.
Der 2. Weltkrieg (1935 - 1945) mit seinen furchtbaren Bombenangriffen fügte auch unserer Baugenossenschaft in allen Bauteilen Schäden zu. Während der Kriegszeit mussten
Kellerräume zu Luftschutzräumen ausgebaut werden. Gott sei Dank war deren Standfestigkeit nicht zu beweisen, weil uns die Bomben nicht voll getroffen haben. Man sollte aber heute
noch den mutigen Frauen und Männern gedenken, die die Zeiten der Angriffe nicht in den Schutzräumen verbrachten, sondern in den Häusern manchen Brand rechtzeitig löschen oder gar
vermeiden konnten.
Erst nach der Währungsreform 1948, konnten die bis dahin nur notdürftig behobenen Kriegsschäden fachgerecht beseitigt werden.
Nachdem in den 50er Jahren, durch freundliche Vermittlung, 2 Ruinengrundstücke an der Viktor-Scheffel / Römerstraße erworben werden konnten, entschloss man sich in der Verwaltung,
den Bauteil 4 mit 53 Sozialwohnungen zu bauen. Der Bezug konnte schon 1956 erfolgen.
1968 wurde auf eigenem Grund, eingebunden in unseren Bauteil 3 (Siedlung), an der Torquato-Tasso-Straße der Bauteil 5 (2 Häuser mit 12 Wohnungen) mit öffentlichen Mitteln errichtet.
Dann folgte schon 1970 der Bau von Bauteil 6 (ebenfalls auf eigenem Grund) an der Brunnerstraße am Luitpoldpark, mit 15 Sozialwohnungen.
Zum vorläufigen Ende unserer Bauchronik sei der mit öffentlichen Mitteln geförderte Neubau (Bauteil 7) eines Wohnhauses mit 8 Wohnungen an der Schinkelstraße erwähnt. Hier handelt
es sich um ein beispielhaftes Großprojekt von 8 Münchner Baugenossenschaften.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass unsere Baugenossenschaft gegenwärtig 450 Wohneinheiten in 7 Bauteilen besitzt. Die Gesamtwohnfläche wird mit rd. 24.000 qm beziffert. Dazu
kommen vermietete Ladengeschäfte sowie Werkstätten und PKW- und Zweiradgaragen, zusammen rd. 400 qm. Seit den späten 60er Jahren war es dringend notwendig, sich auch um
den sanierungsbedürftigen Altbaubestand zu kümmern. Je nach den zur Verfügung stehenden Mitteln wurden folgende Sanierungsmaßnahmen durchgeführt: Fassadenerneuerung, neue
Dächer incl. Kaminköpfe, neue Fenster und Balkontüren, Treppenhaussanierung und Verbesserung der Grünanlagen. Nicht zu vergessen ist die Verstärkung der Gas- und Stromleitungen,
da sich die Mieter durchwegs auf moderne Heizarten und grösseren Verbrauch dieser Energien umgestellt haben.
Anläßlich der Steuerreform 1990 haben wir uns in die Kategorie der Vermietungsgenossenschaft einordnen lassen. Unsere Bezeichnung Familiengenossenschaft tragen wir mit Stolz.
Können wir doch nachweisen, dass heute noch bejahrte Kinder und Enkel unserer Mitglieder aus der Gründerzeit bei uns wohnen. Unsere ganze Baugenossenschaft legt Wert darauf,
weiterhin mit ehrenamtlichen und nebenberuflichen Verwaltungsorganen die Selbstverwaltung aufrecht zu erhalten. Dadurch können wir unseren Genossenschaftsmitgliedern für den
Standort München noch immer günstige Mieten bieten.
Möge es noch lange gelingen, ehrenamtliche Gremiumsmitglieder aus dem Nachwuchs zu aktivieren, um für die Gemeinschaft tätig zu sein. An dieser Stelle sei allen bisherigen und noch
tätigen Gremiumsmitgliedern Lob und Dank für die aufopferungsvolle Mitarbeit ausgesprochen.
Als Schlußwort möchten wir die tatkräftige Unterstützung unseres Verbandes und der TdW erwähnen, durch deren Hilfe die geforderten Leistungen einer ordentlichen und modernen
Betriebsführung gegeben sind.
Baugenossenschaft München-Schwabing